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Zeichen für die Ewigkeit – Atomsemiotik mit ISO 21482
11.04.2025
Stellen Sie sich vor, Sie müssten eine Warnung formulieren, die 10.000 Jahre lang verstanden wird. Nicht nur von zukünftigen Generationen, sondern vielleicht von Menschen, die nicht mehr wie wir denken, sprechen – oder überhaupt Menschen sind. Willkommen im faszinierenden Feld der Atomsemiotik!
Atomsemiotik?
Die Atomsemiotik beschäftigt sich mit einem scheinbar unmöglichen Auftrag: Wie kennzeichnen wir Lagerstätten hochradioaktiven Mülls so, dass irgendjemand in ferner Zukunft versteht – Hände weg, das ist gefährlich! Der Begriff setzt sich zusammen aus „Atom“ (klar) und „Semiotik“, der Wissenschaft von Zeichen und Bedeutung.
Das Problem: Zeit und Verständigung
Atommüll bleibt über Jahrtausende gefährlich – viel länger, als unsere Sprachen, Kulturen oder Regierungen Bestand haben. Während 2.000 Jahre alte Sprachen schon schwer zu entziffern sind, soll eine Warnung vor einem Endlager zehn Mal länger eindeutig sein. Schriftzeichen? Bilder? Skulpturen? Oder doch lieber ein Mythos, der sich wie eine düstere Legende durch die Generationen schleicht?
Die Lösung: Kreativität plus Wissenschaft
In den 1980er Jahren gab es in den USA das Projekt „Human Interference Task Force“, das sich genau mit dieser Frage beschäftigte. Ihre Ideen reichten von finsteren Landschaftsgestaltungen – etwa schwarzen, abweisenden Dornenfeldern aus Beton – bis hin zu Katzen, die ihre Farbe ändern, wenn Radioaktivität in der Luft ist. Kein Scherz. Der Plan: Eine Kultur rund um diese Tiere entwickeln, die auf das Unsichtbare hinweisen.
Die Lösung: Warnzeichen
Ionisierende und radioaktive Strahlung sind für den Menschen unsichtbar und können erhebliche gesundheitliche Schäden verursachen. Daher ist es essenziell, vor solchen Gefahrenquellen effektiv zu warnen. Im Laufe der Zeit wurden spezifische Warnzeichen entwickelt, um auf die Präsenz dieser Strahlung hinzuweisen und Menschen vor möglichen Gefahren zu schützen. Fast schon ein Klassiker ist das Warnzeichen W003 aus ISO 7010 „Warnung vor radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung“.
Das Warnzeichen basiert auf dem bekanntesten Symbol für Radioaktivität, dem Strahlenwarnzeichen oder Kleeblatt. Es wurde 1946 an der University of California in Berkeley entworfen und bestand ursprünglich aus drei sich an einer Spitze berührenden, gleichseitigen Dreiecken in Magenta auf blauem Hintergrund. Später wurde der Hintergrund in Gelb geändert, um die Sichtbarkeit zu erhöhen. Wie es genau zu dem entworfenen Strahlenwarnzeichen kam, gibt es nur Vermutungen. Naheliegend ist, dass der Kreis in der Mitte des Kleeblatts ein Atom und die Schaufeln die drei gängigen Arten ionisierender Strahlung, die von ihm ausgehen – Alpha (α), Beta (β) und Gamma (γ), repräsentieren. Der Hintergrund ist ein schwacher Trost, denn sie befreien das Symbol nicht von seiner Abstraktheit.
Dieses Symbol wird inzwischen weltweit verwendet und ist in der ISO 361 „Grundsymbol für ionisierende Strahlung“ standardisiert und auch als Warnzeichen in ISO 7010 gelistet. Es findet sich auf Behältern mit radioaktiven Materialien, an Türen von Räumen mit Strahlenquellen und an Orten, die vor ionisierender Strahlung warnen sollen.

Warnzeichen W003 aus ISO 7010 auf Basis der ISO 361
„Warnung vor radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung“
Trotz der weiten Verbreitung des traditionellen Strahlenwarnzeichen zeigte sich, dass insbesondere in bestimmten Regionen und bei Personen ohne spezifisches Wissen das Symbol nicht immer korrekt interpretiert wurde. Um die Verständlichkeit zu erhöhen, führte die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) 2007 ein ergänzendes Warnzeichen ein, das in der ISO 21482 „Warnung vor ionisierender Strahlung – Zusatzsymbol“ festgelegt ist. Dieses Symbol kombiniert das traditionelle Warnzeichen mit zusätzlichen Elementen wie einem Totenkopf und Fluchtpfeilen, um die Gefahr deutlicher zu kommunizieren. Es soll direkt an gefährlichen Strahlenquellen angebracht werden, um auch Laien auf die potenzielle Gefahr hinzuweisen.

„Warnung vor gefährlichen radioaktiven Stoffen“ aus ISO 21482
Nach verschiedenen Unfällen mit radioaktiver Strahlung (Goiânia-Unfall, Brasilien, 1987 oder Nuklearunfall von Samut Prakan, Thailand, 2000) sah die IAEO zusammen mit der ISO Handlungsbedarf für ein zusätzliches Warnzeichen: „Warnung vor gefährlichen radioaktiven Stoffen“ (ISO 21482). Das Ergebnis ist jedoch etwas speziell:
- Das Problem der nicht visualisierbaren Gefahr (Radioaktivität) blieb bestehen und es wurde wieder auf das Kleeblatt als Symbol für die Gefahr zurückgegriffen.
- Abweichend von der ISO 3864 Reihe wurde Rot als Hintergrundfarbe gewählt, wohl um die Gefährlichkeit zu unterstreichen.
- Wahrscheinlich, als man feststellte, dass unter der Farbkombination Rot / Schwarz die Kontrastverhältnisse litten, hat man sich für eine weiße Outline um alle Objekte entschieden, auch wieder abweichend von der ISO 3864 Reihe.
- Neben, für Warnschilder so gedacht, der dargestellten Gefahr (Radioaktivität mit dem Kleeblatt und Tod mit Schädel und Knochen) kommt hier noch ein Gebot in das Grundsymbol (Weglaufen und Pfeil). Viele Aussagen im begrenzten Raum eines Warndreiecks, sodass deren grafische Elemente entsprechend klein ausfallen. Und wieder der ISO 3864 Reihe entgegenstehen; nur eine Aussage je Symbol.
Durch die Größe der grafischen Elemente dürfte es schwierig sein, dass das Sicherheitssymbol einen Test der visuellen Qualität nach ISO 9186-2 (Graphische Symbole – Prüfmethoden – Teil 2: Ermittlung der visuellen Qualität) bestehen würde, bei dem Elemente von Sicherheitssymbolen in der Größe 50 x 50 mm in einem Abstand 2 m von 90 % der Befragten korrekt und vollständig erkannt und beschrieben werden müssen.
Den Macher des Sicherheitssymbols der ISO 21482 war das offensichtlich bewusst, denn in der Norm wird betont, dass das Sicherheitssymbol W003 aus ISO 7010 „Warnung vor radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung“ nicht ersetzt werden soll und das zusätzliche Sicherheitssymbol direkt an den sehr kleinen Strahlungsquellen und unter einer möglichen Geräteabdeckung angebracht werden soll. Womit sich der Betrachtungsabstand aus Anwendungssicht relativiert, aus Gefahrensicht jedoch paradox ist; großer Abstand ist existenziell, erkennbar ist dies aber nur mit geringem Abstand.
Getestet wurde das Sicherheitssymbol gemeinsam mit anderen Varianten von Gallup in 11 Ländern (Brasilien, Mexiko, Marokko, Kenia, Saudi-Arabien, China, Indien, Thailand, Polen, Ukraine und die USA) mit insgesamt haben 1650 Teilnehmer. Die Testergebnisse und Testmethode sind nicht öffentlich zugänglich. Bekannt ist aber, dass immer einer Gefahr, aber nicht Art der Gefahr erkannt wurde. Das Element „Totenkopf“ war dabei die stärkste Botschaft. Die Testergebnisse zeigten erstaunlicherweise keine wesentlichen Unterschiede in Bezug auf Kultur, Geschlecht, Alter und Bildung. Gallup ist eines der führenden Markt- und Meinungsforschungsinstitute weltweit und wird mit Sicherheit professionelle Methoden eingesetzt haben, aber nur Tests entsprechend der ISO 9186 Reihe geben die Möglichkeit Ergebnisse zu bewerten.
Herausforderungen der Atomsemiotik
Warnungen vor Gefahren sollen und müssen möglichst lange Bestand haben. Lange Bestand heißt in diesem Fall, lange haltbar und lange verständlich. Im Zusammenhang mit radioaktiver Strahlung sprechen wir von 20.000 bis 5.000.000 Jahre, je nachdem welche nationale Behörde zuständig ist. Wenn man ca. 5.000 Jahren menschlicher Kulturgeschichte ausgeht, ist bei den gedachten Zeiträumen nicht mehr wichtig, ob normbasiert oder nicht, es geht nur darum, eine Minimalchance auf Verständlichkeit zu setzen oder zu hoffen. Das ist der Kern der Atomsemiotik.
Vor diesem Hintergrund sind die Abweichungen von genormten Konventionen für das Sicherheitssymbol „Warnung vor gefährlichen radioaktiven Stoffen“ nach ISO 21482 ohne Bedeutung.
Symbole zum Download
ISO 60417:6182 und 6183 und Redesign nach ISO 3864
Symbole „Ionizing radiation symbol“ als CSL
Corel-Symbolbibliothek für Draw und DESIGNER ab Version 24 und
Corel Stylesheet CDSS zum effizienten Ändern der Objekteigenschaften.
Wenn Sie mit einer hören Corel-Version arbeiten,
dann öffnen Sie zunächst die CSL und speichern diese in der von Ihnen eingesetzten Corel-Version ab.
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