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ISO- oder ANSI-Sicherheitszeichen, oder beides?

By 5. April 2025April 8th, 2025No Comments

Fakten

ISO- oder ANSI-Sicherheitszeichen, oder beides?

05.04.2025

Wir werden darüber übereinstimmen, dass Sicherheitshinweise und die damit verbundenen Sicherheitszeichen eine hohe Relevanz in der technischen Kommunikation haben. Dennoch scheint es, als ob in unserem immer komplexeren Umfeld beim Erstellen technischer Informationen solche grundlegenden Aspekte unterbewertet werden und Buzzwords wie KI, AR, VR, Digital Twin usw. usw. bestimmen.

Sollte vielleicht jemand etwas Motivation benötigen, sich mit Sicherheitszeichen zu beschäftigen, hier ein paar Zahlen zu Arbeitsunfällen in Deutschland. 2019 gab es 780.581 und 2023 783.426 Arbeitsunfälle (DGVU), davon waren 615 beziehungsweise 599 tödlich. Sicherheitshinweise mit Sicherheitszeichen sind keine Gamechanger, aber ein Baustein zur Verbesserung. Nur am Rande bemerkt, der Hebel ist natürlich inhärent sichere Produkte, soweit das ihrer Funktion nach möglich ist.

Gefährdungsanalyse und Risikobeurteilung stehen inzwischen auf einigermaßen guten Füßen, in deren Folge wir eine Grundlage zur Verfügung haben, die uns ermöglicht, systematisch und aussagekräftig vor Gefährdungen zu warnen, insbesondere mit Sicherheitszeichen. Dennoch stehen wir einem bunten Schilderwald von Sicherheitszeichen gegenüber, der verschiedene Ursachen hat. Das sind der mitunter, der beliebige Einsatz von Sicherheitszeichen aus Symbolbibliotheken, die gewachsene Verwendung von Symbolen in einem bestimmten Firmen- oder Branchenumfeld, sich widersprechende Normen und der komplexe Einsatz für maximal inhomogenen Zielgruppen. Konkret löst der Widerspruch zwischen ISO- und ANSI-Sicherheitszeichen immer wieder Verunsicherung aus. Der Empfehlung, Sicherheitszeichen nach ISO oder ANSI entsprechend dem Einsatzort des Produkts zu verwenden, ist oft schwer zu folgen. Während bei stationären Industrieanlagen dies möglich ist, kämpfen Hersteller von Baugruppen, Komponenten und Consumer Produkten mit unscharfen Zielmärkten und unscharfen Zielgruppen. Viele solche Produkte werden praktisch grenzenlos über Webportale und Reseller vertrieben und treffen in Zeiten von „Do-it-yourself“ auf eine hoch motivierte, aber nicht immer hochkompetente Zielgruppe. Schon allein, was die Einschätzung der Risiken eines Produkts betrifft.

Der ZVEI (www.zvei.org ,ZVEI e. V. Verband der Elektro- und Digitalindustrie) hat sich diesen Aspekt des Dilemmas seiner Branche angenommen und versucht gegenzusteuern. Zwei Symbole sollen Käufer von Produkten darauf hinweisen, dass zur Installation elektrotechnisches oder mechanisches Fachwissen notwendig ist.

ISO- oder ANSI-Sicherheitszeichen?

Bleiben wir auf der Spur und verfolgen den „ISO-ANSI-Widerspruch“. Mit dem saloppen Ausdruck ISO- oder ANSI-Sicherheitszeichen sind Sicherheitszeichen aus ISO 7010:2019-07 „Graphical symbols – Safety colours and safety signs – Registered safety signs“ (und Ergänzungen) auf Basis ISO 3864-3:2024-05 „Design principles for graphical symbols for use in safety signs“ und Sicherheitszeichen auf Basis ANSI Z535.3-2022 „Criteria for Safety Symbols“ gemeint. Die ISO-Standards sind, je nach Stand der Übernahme, in die nationalen Normungssysteme, auch in Deutsch verfügbar. Ein vermeintlich ungleiches Paar, welches wir hier genauer betrachten wollen.

ISO-Normen

Zunächst werfen wir einen Blick auf die Verbindlichkeit dieser Standards. ISO-Normen stellen in den Mitgliedsstaaten die anerkannten Regeln der Technik dar. Mitglieder sind die Normungsorganisationen von ca. 170 Ländern. Das sind über den Daumen gepeilt, alle Länder der Welt. Auch die USA sind Mitglied, vertreten durch ANSI. Die ISO-Normen werden in nationale oder übernationale (EU: 92/58/EWG) Vorschriften und Normen übernommen oder es wird darauf rechtswirksam verwiesen. In Deutschland ist das mit ASR A1.3 „Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung“ der „Technischen Regel für Arbeitsstätten“ erfolgt. In welcher Form die besprochenen ISOs in den ca. 170 Mitgliedsländern umgesetzt werden ist nicht praxisrelevant prüfbar. Wir müssen davon ausgehen, dass ISOs schlicht überall gelten. Zur Verfügung stellt uns die ISO mit ISO 3864 Gestaltungsgrundlagen für zu normende und individuelle Sicherheitszeichen sowie mit ISO 7010 einen Katalog Sicherheitszeichen mit Verfügung. Die ISO 7010, mit dem oft hervorgehobenen Mangel, dass ein wesentlicher Teil nicht auf Verständlichkeit getestet wurde oder nicht alle Verständlichkeitskriterien erfüllt wurden.

ANSI-Normen

ANSI-Normen sind ebenfalls anerkannte Regeln der Technik, nur dem Land des Herausgebers entsprechend, in den USA anzuwenden. Darüber hinaus auch in Kanada und Mexiko durch das United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA) (ehemals NAFTA). Eine Umsetzung in Gesetzte und Verordnungen ist nicht pauschal vorgesehen, aber gerade für die Reihe ANSI Z535 in den Regelungen der OSAH (Occupational Safety and Health Administration) so geschehen. Die OSAH ist eine staatliche US-Behörde und hat Regulierungs- und Durchsetzungsbefugnis für die Sicherheit am Arbeitsplatz, einschließlich Sicherheitskennzeichnung. Das ANSI hält mit ANSI Z535.3 ebenfalls Gestaltungsrichtlinien für Sicherheitszeichen bereit, eine genormte Sammlung von Sicherheitszeichen jedoch nicht. In Praxis haben sich dennoch typische „ANSI-Sicherheitszeichen“ etabliert.

Schilderhersteller bieten solche „ANSI-Sicherheitszeichen“ an, zum Beispiel Clarion mit einer großen Auswahl an normbasierten Sicherheitszeichen, besonders an sogenannten harmonized symbols (ANSI/ISO) und gute Informationen rund um die ANSI/ISO-Harmonisierung. Relevanz hat dieser Hersteller durch die Tastsache, dass der Gründer und langjährige CEO Geoffrey Peckham 8 Jahre den Vorsitz im ANSI Z535-Komitee innehatte. Oder die AEM (Association of Equipment Manufacturers) bietet eine Bilddatenbank mit fertigen Sicherheitssymbolen für Gerätehersteller zum freien Download, wenn man so will, ein Pendant zur ISO 7010. Pendant? Nicht ganz, denn wird der Download angestoßen, erscheint ein Hinweis, dass die Symbole nicht geprüft sind, nicht getestet sind und keine Haftung übernommen wird. Also auch der ANSI-Welt finden wir keine getesteten Sicherheitszeichen. Selbst zu den in ANSI Z535.3 beispielhaft gezeigten Sicherheitszeichen steht im Standard: „Die dargestellten Symbole dürfen nicht als genehmigt, anerkannt oder in irgendeiner Weise vom ANSI Z535-Ausschuss gebilligt ausgelegt werden.“ Die Reihe ANSI Z535 verweist an vielen stellen informativ und auch normative auf ISO-Standards. Über die letzten Versionen hinweg wurde von ANSI Z535 Komitee eine Harmonisierung zur ISO 3864 vorangetrieben. Bei den oben beschrieben Vertriebswegen, ein notwendiger und zeitgemäßer Schritt.

Was die Verbindlichkeit der ISO und ANSI bezüglich Sicherheitszeichen betrifft, liegen beide Welten ganz nah beieinander und überschneiden sich. Wie sieht es mit den Gestaltungsregeln im Detail aus? ANSI Z535.3 und ISO 3864-3 sind nichts anderes als Styleguides für Sicherheitszeichen und unglaublich nah beieinander:

Grundfigur

ISO 3864-3 (7.4) und
ISO 3864-1 (6)

Eindeutig definierte Grundfiguren für Verbotszeichen, Gebotszeichen, Warnzeichen, Rettungszeichen und Brandschutzzeichen mit Maßen für das „Symboloriginal“.

ANSI Z535.3 (5.1, A2, A3.2)

Prinzipiell dargestellte Grundfiguren (2,75“ x 2,75“ ≈ 70 x 70 mm), diese sind nur Pflicht für das Safety Alert Symbol und Verbostzeichen. Bei allen anderen Grundfiguren ist der Platzverlust für den Symbolinhalt zu bedenken.

Sicherheitsfarben

ISO 3864-4 (Annex E)

Informativ genannte Namen der RAL-Farben. Eine offizielle Umsetzung der RAL-Farben in Farbwerte für RGB und CMYK gibt es nicht und kann es auch rein technisch in einem unkalibrierten Umfeld nicht geben. Es gibt aber für Näherungswerte (nicht autorisierte) Veröffentlichungen, zum Beispiel wären das für die Sicherheitsfarbe Rot mit RAL 3001 Signal rot:

CMYK 20, 100, 100, 10 und
RGB 155, 36, 35

ANSI Z535.1 (Annex C, Table C-2)

Informativ genannte Farbwerte für RGB und CMYK. Demnach wären die Farbwerte für Safety Red:

CMYK 2, 100, 85, 6 und
RGB 200, 16, 46.

Linienbreite

ISO 3864-3 (7.5)

Die Linienbreite ist in Bezug auf Größer der Grundfigur mit min. 1 mm (Ausnahme: 0,5 mm) definiert.

ANSI Z535.3 (A3.2)

Linienbreite und Abstand zwischen Objekten ist mit min. 0,04“ (≈ 1 mm) in Bezug auf die Grundfigur.

Einheitlichkeit

ISO 3864-3 (7.6 … 7.8)

Symbolelemente sollen wiederverwendet werden. Determinanten (grafisches Symbol, das innerhalb einer Serie von grafischen Symbolen immer wieder verwendet wird) sollen zum Einsatz kommen. Bekannte Symbolelemente sollen in neuen Symbolen systematisch kombiniert werden.

ANSI Z535.3 (A3.1 … A3.4)

Wirksame Sicherheitssymbole werden durch Konsistenz, Lesbarkeit, Verständlichkeit und Einfachheit erreicht.

Pfeile

ISO 3864-3 (7.9)

Definition von Pfeilformen für Bewegung, Kraft und der Bewegung von Personen.

ANSI Z535.3 (A6.2)

Definition von Pfeilformen für Bewegung, Kraft und der Bewegung von Personen im informativen Anhang und Verweis auf ISO 11684, die detaillierte Angaben zu Pfeilformen enthält.

Schriftzeichen

ISO 3864-3 (7.10)

Buchstaben, Zahlen, Satzzeichen, mathematische Symbole sollten mit Ausnahme des Ausrufezeichens nicht verwendet werden.

ANSI Z535.3

Keine Angaben.

Menschen und Körperteile

ISO 3864-3 (A.3)

Definition von Menschen und Körperteilen. Menschen und Körperteile sollen als Umriss in Sicherheitszeichen für persönliche Schutzausrüstungen und als Fläche in Sicherheitszeichen für Handlungen dargestellt werden. Die Art der Verletzung, die durch die Gefahr verursacht wird, soll dargestellt werden, aber kein Blut.

ANSI Z535.3 (A6.3, A6.3.5)

Definition von Menschen und Körperteilen. Die Gefahr mit Auswirkung und Schmerz soll dargestellt werden. Passive Hand in der Nähe einer Gefahr sind nicht ausreichend und könnte die Botschaft vermitteln „Legen Sie die Hand hierhin“. Die Darstellung von Blut sollte vermieden werden.

Wasser

ISO 3864-3 (A.4)

Befindet sich die Symbolaussage unter Wasser, ist dies mit einer Wellenlinie darzustellen, Symbolaussagen über Wasser mit zwei Wellenlinien und tiefes Wasser mit mehreren Wellenlinien.

ANSI Z535.3

Keine Angaben.

Wenn man sich die Gestaltungsrichtlinien nach ISO uns ANSI ansieht, fragt man sich, wie zu so einem Sicherheitszeichen wie ISO 7010-W024 „Warnung vor Handverletzungen“ und ähnlichen kommen konnte. Wo ist hier die Darstellung der Verletzung? Nur aus dem Kontext des gelben Warndreiecks, ist auf eine Gefahr zu schließen. Nach ISO mag das ok sein, aber nach ANSI ist das Warndreieck nicht obligatorisch. Fakt ist, dass auch eine konkret gezeigte Handverletzung ISO und ANSI konform ist.

ISO 7010-W024, auf Basis ISO 3864-3

nicht genormt, aber auf Basis ISO 3864-3 und ANSI Z535.3

Wir sind umgeben von abstrakten und zu lernenden Symbolen, die gut funktionieren. Denken wir nur an das Ein/Aus-Symbol oder das Icon zum Speichern … eine Diskette, selbst im allgegenwärtigen Microsoft365, obwohl Microsoft die Cloud doch so liebt. Dieses Disketten-Icon scheint eine mächtige Konvention zu sein, so schlecht das Icon (inzwischen) auch ist, denn alle nach Generation Y (geboren von 1981 bis 1995) fehlt die Repräsentation einer Diskette. Persönliche Befindlichkeiten, gewachsene Wahrnehmung und deren Verzerrung sind keine guten Berater bei der Beurteilung der Verständlichkeit von Sicherheitszeichen. Dies besonders vor dem Hintergrund eines weltweiten Einsatzes von Produkten über verschiedene Kulturkreise, Bildungsstände und Einsatzgebiete hinweg. Es kann eben auch ein vermeintlich schlecht gemachtes Sicherheitszeichen, bei systematischer Anwendung, gut funktionieren.

Auf den Punkt gebracht

Ja, genormte Sicherheitszeichen haben Probleme bei der Verständlichkeit und unterliegen daher starker Kritik. Mitverantwortlich sind die Normungskommissionen selbst, die mit Routine Sicherheitszeichen in der ISO 7010 veröffentlichen, die nicht getestet wurden, nicht alle Testkriterien erfüllen und nicht umfänglich den selbst gesetzten Gestaltungsrichtlinien folgen. Dementsprechend wird ein Zusatztext empfohlen, es sei denn, das Sicherheitszeichen wird durch Anleitung, Schulung oder Unterweisung erläutert. Eine Zwickmühle, wir setzen Sicherheitszeichen ein, um uns von kulturellen und sprachlichen Zwängen zu trennen. Da wir die Sicherheitszeichen nicht umfänglich auf Verständlichkeit testen können, fallen wir zurück auf kultur- und sprachabhängige Mittel.

Verständlichkeitstest nach ISO 9186-1 (Graphical symbols – Test methods – Method for testing comprehensibility) sehen vor, den Kontext beim Test eines grafischen zu benennen. Das ist gut, richtig und notwendig, denn jeder Art von Kommunikation hat Kontext. Setzen wir Sicherheitszeichen konkret ein, liegt der Kontext vor. Testet nun die ISO, nach ihrem eigenen Anspruch (ISO 9186), kann ein Kontext oft nur grob umrissen werden. Liegen Testergebnisse für einzelne Sicherheitszeichen in der ISO 7010 vor, relativieren sich diese beim tatsächlichen Einsatz, bei dem der Kontext kaum exakt dem beim Test angegeben entsprechen kann. Für uns sichtbar in der Norm ist dieser oft nur mit einem Wort oder einer Wortgruppe (für ISO 7010-W024 „Warnung vor Handverletzungen“, wäre das „Schließende mechanische Teile einer Maschine/Einrichtung“. Lassen wir uns also nicht unnötig verunsichern, wenn keine Testergebnisse zu Sicherheitszeichen in der ISO 7010 vorliegen, sondern verwenden diese standardisierten Sicherheitszeichen, entwickeln eigene, wenn unbedingt notwendig oder verwenden geläufige, die als „ANSI-Symbol“ wahrgenommen werden. Setzen wir genormte Sicherheitszeichen konsequent ein, unterstützt das massiv die Verständlichkeit und Wiedererkennbarkeit durch Geläufigkeit. Denken wir nur an die vielen Symbole und Icons, die unsere Alltagswelt durchdrungen haben, die wir ohne Weiteres akzeptieren und verstehen. Warum? Weil sie konsequent, auch mit ihren Schwächen, eingesetzt werden.